Kunststoffspritzguss

Das Spritzgussverfahren ermöglicht es, sehr komplexe Kunststoffteile in guter Qualität preisgünstig herzustellen. Als Beispiele seien hier Funktions- und Gehäuseteile für Kraftfahrzeugkomponenten, elektronische und medizintechnische Geräte und allgemeine Konsumgüter genannt. Bei Teilen dieser Art ist ein Trend zur Miniaturisierung zu erkennen. Das Materialspektrum reicht von relativ harten Kunststoffen für Gehäuseteile bis zu weichen Kunststoffen mit gummiähnlichen Eigenschaften. Die Produktionsbereiche in Kunststoffspritzereien sind oft hochautomatisiert und arbeiten im Vierschichtbetrieb. Es bietet sich an, den Prüfprozess durch Anbindung mit Robotern und Palettensystemen im Vierschichtbetrieb ebenfalls zu automatisieren (Abb. 57).

Abb. 57: Fertigungsintegrierte Prüfzelle, bestehend aus zwei Multisensor-Koordinatenmessgeräten, einem Roboter und einem Palettenspeicher.

Ein Schwerpunkt beim Einsatz von Messgeräten in der Kunststoffverarbeitung ist die Endkontrolle der Produkte. Überprüft werden Funktionsmaße wie der Abstand von Rastnasen, Dichtnuten und Steckerrastern mit Toleranzen von wenigen 10 µm und darunter. Taktile Messverfahren scheiden aufgrund der großen Abmessungen der Tastelemente und der zu großen Antastkräfte vielfach aus. Deshalb ist die optische Messung oft der einzig mögliche Weg, um die Maßhaltigkeit zu überprüfen. Als Sensorik kommt die Bildverarbeitung in Kombination mit dem Autofokus zum Einsatz. Probleme
bereiten oft die für Kunststoffteile typische Gestalt von Ausformschrägen und Kantenverrundungen. Je nach Farbe ist ein ausreichender Kontrast mitunter schwer zu erzeugen. Voraussetzung für das erfolgreiche Arbeiten mit optischen Sensoren an solchen Messobjekten ist deshalb ein möglichst flexibles Beleuchtungssystem. Hellfeld-Auflicht kombiniert mit winkelverstellbarem Auflicht (MultiRing) schafft eine gute Grundlage. Um auch an runden Kanten noch sicher messen zu können, kann die Funktion 3D-Patch oder der Foucault-Lasersensor eingesetzt werden. Die Funktionsmaße werden entsprechend der ISO-Normen ausgewertet. Häufig treten Form- und Lagetoleranzen auf.
Gehäuseteile und Verkleidungsteile in Kraftfahrzeugen weisen üblicherweise Flächen auf, die vorrangig nach ästhetischen Gesichtspunkten konstruiert werden. Die Toleranzen dieser weniger genau definierten Freiformflächen (Designerflächen) liegen meist zwischen 50 µm und 100 µm. Die Messwerte werden punktweise mit den CAD-Daten verglichen (s. Abb. 48). Die erforderliche große Anzahl von Messpunkten lässt sich z. B. mit Laserabstandssensoren oder 3D-Sensoren aufnehmen. Durch Kombination eines 3D-Multisensor Koordinatenmessgeräts mit einer Drehachse können komplexe Kunststoffteile von allen Seiten in einem Koordinatensystem erfasst und somit eine Komplettprüfung durchgeführt werden.
Der zweite Einsatzschwerpunkt im Kunststoffspritzprozess ist das Messen der Spritzgusswerkzeuge und der zu ihrer Herstellung erforderlichen Erodierelektroden. Aufgrund des Trends zu abnehmenden Produktzykluszeiten wird es immer wichtiger, diese Prüfungen vor der Aufnahme der Produktion vorzunehmen. Eine nachträgliche Korrektur nach dem ersten Spritzen würde zu viel Zeit beanspruchen.
Die Werkzeugmaße stimmen aufgrund von Schrumpfungsprozessen und anderen Einflüssen des Spritzvorgangs nicht exakt mit den Teilemaßen überein. Außerdem wird eine erheblich höhere Genauigkeit verlangt. So entstehen mit einer Teiletoleranz von einigen zehn Mikrometern und einer Werkzeugtoleranz von einigen Mikrometern höchste Anforderungen (Toleranzkette) an die Messunsicherheit der verwendeten Koordinatenmessgeräte im Bereich von 1 µm und darunter.
Das taktile Messen ist aufgrund der Stabilität der verwendeten Metallwerkstoffe meist möglich, reicht wegen der kleinen Abmessungen aber oft nicht aus. Es werden deshalb kombinierte Geräte mit schaltenden oder, besser, messenden Tastsystemen, Fasertastern und Lasersensoren eingesetzt. Für schwierige Kunststoffspritzprozesse ist es sinnvoll, die herstellungsbedingten Abweichungen gegenüber dem CAD-Modell durch Scannen zu erfassen. Das CAD-Modell für das Werkzeug wird über entsprechende Softwarefunktionen oder manuell bewusst verändert, um Verfahrenseinflüsse zu kompensieren. Das veränderte CAD-Modell kann dann zur Herstellung von Elektroden oder zur direkten Steuerung der Bearbeitungsmaschinen für die Werkzeugkorrektur verwendet werden.
Sowohl beim Überprüfen der Teile als auch bei den oben beschriebenen prozessinternen Messungen ist grundsätzlich zwischen zwei Methoden der Werkstückausrichtung zu unterscheiden:
• Bei Funktionsteilen ist das Werkstück hinsichtlich der Funktionsflächen oft eindeutig ausgerichtet. Eventuell vorhandene Freiformflächen werden dann in diesem Koordinatensystem überprüft.
• Zeigen sich Abweichungen außerhalb der Toleranzen, stellt sich die Frage, ob die Bezugsflächen inkorrekt sind oder die Freiformfläche in sich Fehler aufweist. Letzteres kann durch eine dreidimensionale Einpassung der Freiformfläche in das CAD-Modell mit anschließender grafischer Auswertung überprüft werden. Es ist dann auch möglich, im Werkzeug nur die Bezugsflächen zu verändern und somit das aufwändige Nacharbeiten der Freiformflächen zu vermeiden.