Messprozesseignung

Grundsätzlich geht es bei der Überprüfung der Messprozesseignung um einen Vergleich der erzielbaren (merkmals-abhängigen) Messunsicherheit einschließlich aller Einflüsse mit der ebenfalls merkmalsbezogenen Toleranz. Ein ähnliches Vorgehen wird in den oben schon erwähnten Werksnormen beschrieben.
In der Richtlinie VDA 5 werden im Allgemeinen und in einer in Vorbereitung befindlichen VDI/VDE-Richtlinie der Reihe 2617 werden speziell für Koordinatenmessgeräte sowohl Verfahren zur Messunsicherheitsbestimmung als auch zur Bewertung der Messprozesseignung beschrieben. Zur Gewährleistung der Messprozesseignung muss die Messunsicherheit deutlich kleiner sein als die jeweilige Maßtoleranz. Im Allgemeinen wird als Voraussetzung für die Eignung des Messprozesses ein Verhältnis von 1 : 10 gefordert. Bei Maßen mit sehr enger Toleranz müssen jedoch mitunter Abstriche gemacht werden. Es ist zu beachten, dass die Fertigungstoleranz um die Messunsicherheit unterhalb der Zeichnungstoleranz liegen muss (DIN EN ISO 14253-1). Bei geringer Qualität der Messtechnik müssen daher höhere Anforderungen an die Stabilität und Genauigkeit des Fertigungsprozesses gestellt werden. Die zusätzlichen Fertigungskosten können Mehrkosten für den Kauf eines modernen Multisensor-Koordinatenmessgeräts
deutlich übersteigen.
Die Messunsicherheit der jeweiligen Messprozesse spielt vor allem an der Schnittstelle zwischen dem Zulieferer und dem Abnehmer eine bedeutsame Rolle. Der Zulieferer hat die von ihm einzuhaltenden und garantierten Toleranzgrenzen um die Messunsicherheit seiner Koordinatenmessgeräte zu reduzieren (Fertigungstoleranz). Der Abnehmer muss wiederum die Toleranz um die Messunsicherheit seiner in der Wareneingangskontrolle installierten Geräte erweitern (Abb. 55).

Abb. 55: Vergleich der Auswirkung unterschiedlicher Messunsicherheiten nach ISO 14253-1.

Da er dem Zulieferer seine eigene Messunsicherheit nicht anlasten kann, darf er erst reklamieren, wenn diese erweiterten Grenzwerte überschritten werden. Vor allem bei zu großer Messunsicherheit beim Abnehmer kann dies zu einem Widerspruch führen: Der Abnehmer muss seine eigene Qualitätssicherung anweisen, Teile, bei denen er eine gewisse Toleranzüberschreitung gemessen hat, zwar abzunehmen, aber nicht weiterzuverwenden. Dies gilt selbst dann, wenn das Messgerät in der Eingangskontrolle die gleiche oder eine geringere Messunsicherheit aufweist als das Messgerät des Zulieferers. Um dies zu verhindern, sollte der Abnehmer dem Zulieferer eine engere Toleranz vorgeben [7]. Hierfür wird der Begriff Vertragstoleranz eingeführt. Es ergibt sich folgende Toleranzkette:

Vertragstoleranz    = Spezifizierte Toleranz
                                   – Messunsicherheit des Abnehmers
Fertigungstoleranz = Vertragstoleranz
                                   – Messunsicherheit des Zulieferers

Unter diesen Bedingungen ist sichergestellt, dass die Vertragsbedingungen eindeutig definiert und überprüfbar sind. Ein Beispiel für diesen Fall ist in Abbildung 56 dargestellt. Gezeigt ist, dass die Toleranz für den Zulieferer auf die Vertragstoleranz reduziert ist, damit der Abnehmer alle Teile, die der Zulieferer als toleranzhaltig freigibt, ohne Zugeständnisse der Qualitätssicherung annehmen kann. Da durch diese Vorgehensweise höhere Kosten entstehen können, ergibt sich die Forderung nach einer ausreichend genauen Koordinatenmesstechnik sowohl beim Zulieferer als auch beim Abnehmer.

Abb. 56: Toleranzeinschränkung für den Zulieferer zur Gewährleistung der spezifizierten Toleranz des Abnehmers.