Messen mit CAD-Daten

Die numerische Auswertung von gescannten Konturen oder Flächen ist im Wesentlichen auf regelmäßige geometrische Merkmale wie Zylinder, Ebenen, Geraden, Kugeln und Kreise beschränkt. Moderne Fertigungsverfahren gestatten jedoch immer öfter das freie Gestalten, bei dem auf regelmäßige Formen keine Rücksicht mehr genommen werden muss. Es entstehen Freiformteile, deren Form nur durch das CAD-Modell beschrieben wird.
Zum Messen werden die interessierenden Bereiche des Objekts gescannt. Anschließend vergleichen Messsoftwaremodule im Offline-Modus die Messwerte mit dem CAD-Modell. Eine weitere Möglichkeit besteht in der direkten Kopplung des CAD-Softwaremoduls mit dem Messgerät: In diesem Fall werden die interessierenden Bereiche zuerst am CAD-Modell ausgewählt und anschließend mit der gewählten Sensorik automatisch gemessen. Das Ergebnis wird jeweils durch grafischen Vergleich oder durch grafische Darstellung der Abweichungen vom CAD-Modell dokumentiert (Abb. 49).

Abb. 49: Auf CAD-Daten gestütztes Messen von 3D-Oberflächen am Beispiel eines gescannten Kunststoffteils.

Die Farben der Messpunkte verdeutlichen die Abweichung zwischen Soll- und Istform. Es erfolgt eine Unterteilung in vier Klassen: »Positiv innerhalb Toleranz«, »Negativ innerhalb Toleranz«, »Positiv außerhalb Toleranz« und »Negativ außerhalb Toleranz«. Die Größe der Abweichung wird über die Farbe dargestellt. Durch die Möglichkeit zwischen verschiedenen Sensoren zu wechseln, lässt sich die Oberfläche eines Teils auch bei komplexer Form nahezu komplett erfassen. Durch Einbinden von Drehachsen können mehrere Ansichten einbezogen und das Teil rundum gemessen werden. Je nach Aufgabenstellung erfolgt die Darstellung der Messergebnisse entweder in einem Bezugskoordinatensystem, das vorher eingemessen wurde (z. B. Fahrzeugkoordinaten im Automobilbau), oder in einem auf ausgewählte Flächenbereiche optimal eingepassten Koordinatensystem. Dabei wird die Lage der gemessenen Punkte relativ zum CAD-Modell so optimiert, dass die Abweichungen so klein wie möglich sind.
Im Folgenden werden am Beispiel eines 2D-Schnitts zwei mögliche Einpassstrategien vorgestellt. Im ersten Fall wird die Lage der gemessenen Istpunkte durch Minimieren der Abstände zu den Sollpunkten optimiert (Werth BestFit). Da unterschiedliche Toleranzen verschiedener Objektbereiche nicht berücksichtigt werden, stellt man unter Umständen Toleranzüberschreitungen fest, obwohl die Toleranz durch Verschieben des Koordinatensystems eingehalten werden könnte. Für die Qualitätskontrolle eignet sich dieses Verfahren deshalb nur bedingt. Es wird jedoch zur Korrektur von CAD-Daten herangezogen, um in einem nächsten Fertigungsschritt bessere Qualität zu produzieren. Das Optimierungskriterium des zweiten Verfahrens (Werth ToleranceFit®) ist, den Abstand zwischen Messpunkt und Toleranzgrenze möglichst groß bzw., falls der Messpunkt außerhalb der Toleranzgrenze liegt, die Toleranzüberschreitung möglichst klein zu halten. Ähnlich der Anwendung einer Stecklehre erfolgt ein funktionsgerechtes Prüfen. In Abbildung 50 wird sichtbar, dass das nach dem BestFit-Verfahren als fehlerhaft erkannte
(rote Bereiche vorhanden), aber tatsächlich nicht fehlerhafte Objekt nach dem Tolerance-Fit®-Verfahren als funktionsfähig eingestuft werden kann.

Abb. 50: Ergebnisvergleich der Einpassverfahren Werth BestFit (a) und Werth ToleranceFit® (b) am selben Messobjekt.

Ein weiterer Vorteil der in die Messsoftware integrierten CAD-Module ist, dass sich die CAD-Information zum Positionieren des Koordinatenmessgeräts nutzen lässt. Der gesamte Messablauf kann durch Anwählen der geometrischen Merkmale am CAD-Modell gesteuert werden. Das Messgerät fährt automatisch die generierten Messpositionen an. Diese Betriebsart wird als Cad-Online® Modus bezeichnet. Technologieparameter wie die Beleuchtungseinstellung für den Bildverarbeitungssensor können durch direktes Zusammenspiel zwischen Messgerät und Messobjekt justiert werden.
Die gleiche Softwarekonfiguration kann auch ohne das Messgerät auf einer Cad-Offline®- Arbeitsstation betrieben werden. Hier werden die Prüfprogramme am CAD-Modell erstellt und getestet. So wird teure Maschinenzeit eingespart, und die Prüfpläne sind bereits fertiggestellt, wenn das erste Messobjekt gefertigt ist. Messobjektbezogene Einflussfaktoren können dann in einem Testlauf im Einzelschrittbetrieb nachbearbeitet werden.
Der Vorteil der hier beschriebenen Lösung liegt insbesondere darin, dass mit einem durchgängigen Bedienkonzept gearbeitet werden kann. Durch Nutzung der gleichen Softwarepakete sind Inkompatibilitäten weitgehend ausgeschlossen. Dies ist bei vom Messgerätehersteller unabhängigen Programmierarbeitsplätzen nicht der Fall. Abbildung 51 zeigt den auf diese Weise erzeugten Prüfplan in einem beispielsweise zweidimensionalen Grafikfenster. Man kann erkennen, auf welche Weise die Messpunkte bzw. Bildverarbeitungsmessfenster am CAD-Modell verteilt werden. Eine sehr anschauliche Simulation des Messablaufs ist somit im Offlinebetrieb möglich.

Abb. 51: Werth Cad-Online® und Werth Cad-Offline® – Programmieren mit CAD-Daten: grafische Darstellung des Prüfplans für ein 2D Objekt. a) Bildverarbeitungsfenster; b) Merkmalsbezeichnung; c) Winkelmaß; d) Distanzmaß.