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Entwicklung

Koordinatenmesstechnik im Wandel

Koordinatenmessgeräte dienen zum Messen geometrischer Eigenschaften von Werkstücken wie Längen, Durchmesser, Winkel, Winkligkeit und Parallelität. Manche Geräte können zusätzlich für weitere Aufgaben wie Rauheitsmessungen oder Defektprüfungen eingesetzt werden.

Entwicklung

Messmikroskope - erste Koordinatenmessgeräte

Die ersten Koordinatenmessgeräte waren die in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts eingeführten Messmikroskope. Etwa 1970 entstanden taktile Geräte mit automatischer Steuerung. Ebenfalls in den 70er-Jahren entwickelte Dr.-Ing. Siegfried Werth das Werth Tastauge, den ersten optoelektronischen Sensor für Messprojektoren, der ein automatisches Antasten von Objektpunkten gestattete. In Verbindung mit NC-Achsen ermöglichte es diese Sensorik 1980 erstmals, auch optische Koordinatenmessgeräte zu automatisieren.

Bildverarbeitung ersetzt den Messprojektor

Im Verlauf der 1990er-Jahre wurden die in der berührungslosen Koordinatenmesstechnik bis dahin noch dominierenden Messmikroskope und Messprojektoren weitgehend durch Koordinatenmessgeräte mit Bildverarbeitungsverfahren abgelöst. Wesentliche Voraussetzungen hierfür waren die Entwicklung moderner Halbleiterkameras und die Einführung der PC-Technik mit geeigneter Software.

Multisensorik schafft Flexibilität

Die zusätzliche Integration von Laserabstandssensoren führte zu ersten Multisensor-Koordinatenmessgeräten (Abb. 1). Derartige Geräte verfügen oft sowohl über berührungslose als auch über berührende Sensoren und vereinen so das optische und das taktile Messen. Erst diese Kombination ermöglicht es, eine große Anzahl industrieller Aufgabenstellungen zu erfüllen. Durch die wachsende Komplexität der Teile und ihre Miniaturisierung gewinnen insbesondere optoelektronische Sensoren an Bedeutung. Ihre hohe Messgeschwindigkeit ermöglicht wirtschaftliches und produktionsnahes Messen. Taktile Sensoren sind aber weiterhin zum Messen bestimmter Merkmale unentbehrlich.

Multisensorik schafft Flexibilität
<p>Abb. 1: Werth Inspector® (1987): Multisensor-Koordinatenmessgerät mit Bildverarbeitung und integriertem Lasersensor</p>

Röntgentomografie ermöglicht vollständiges Messen

Im Jahr 2005 wurde mit dem Werth TomoScope® ein erstes Koordinatenmessgerät mit Röntgentomografie eingeführt. Mit dieser Technik wurden neue Messmöglichkeiten erschlossen. Komplexe Werkstücke mit vielen Maßen einschließlich innen liegender Merkmale können damit in kurzer Zeit vollständig gemessen werden.

Im Prinzip werden bei allen Koordinatenmessgeräten die Maß-, Form- und Lagebestimmungen auf die Ermittlung und anschließende mathematische Auswertung der räumlichen Koordinaten von Einzelpunkten reduziert. Die meisten Geräte basieren auf kartesisch angeordneten Koordinatenachsen mit linearen Maßstäben. Die Messschlitten in den Achsen werden überwiegend durch Motoren bewegt. An einer der Achsen, meist an der senkrechten (z-Pinole), ist mindestens ein Sensor angebracht, der zum Aufnehmen der Messpunkte auf der Oberfläche der Messobjekte dient. Allen Sensoren ist gemeinsam, dass sie die Messpunkte in Bezug zur Sensorposition bestimmen. Die Relativposition zwischen Sensor und Werkstück wird durch die Bewegung der mechanischen Achsen des Koordinatenmessgeräts so variiert, dass nacheinander alle interessierenden Messpunkte erreicht werden.

Überlagerung von Sensor- und Gerätekoordinaten

Durch Überlagerung der Messwerte des Sensors mit der Sensorposition im Koordinatenmessgerät entstehen Messpunkte im Koordinatensystem des Geräts (Abb. 2). Diese Punkte werden durch die Gerätesoftware zu geometrischen Elementen (z. B. Gerade, Zylinder) verknüpft, aus denen Maße (Abstand, Durchmesser) ermittelt werden. Diese Messergebnisse lassen sich grafisch und tabellarisch darstellen.

Überlagerung von Sensor- und Gerätekoordinaten
<p>Abb. 2: Überlagerung von Sensormesswerten und Sensorposition in Gerätekoordinaten, dargestellt in der xy-Ebene: a) x-Maßstab b) y-Maßstab c) z-Maßstab d) Messpunkt (x+Δx, y+Δy)</p>

Vielseitig, präzise und wirtschaftlich messen

Wegen ihrer Vielseitigkeit, Präzision und Wirtschaftlichkeit hat die moderne Koordinatenmesstechnik häufig Einzweckmessgeräte ersetzt und einen sehr hohen Stellenwert in den Qualitätssicherungsprozessen erreicht. Die vielfältigen Funktionen dieser Geräte eröffnen dem Anwender zahlreiche Einsatzmöglichkeiten, verlangen jedoch fundiertes Wissen über ihre Funktion und Anwendung. In dem im Jahr 2003 in erster Auflage erschienenen Band »Multisensor-Koordinatenmesstechnik« (Die Bibliothek der Technik, Band 248) wurden die Multisensorik und ihre technischen Hintergründe erstmals zusammenhängend dargestellt. Zwischenzeitlich wurden Aspekte dieser Technologie auch in anderen Veröffentlichungen berücksichtigt, deren Schwerpunkt jedoch eher auf dem taktilen Messen liegt [1, 2, 3].

Schwerpunkt Sensorik

In Band 352 (2. Auflage, 2019) der Reihe Die Bibliothek der Technik werden die technischen Grundlagen der heutigen Multisensor-Koordinatenmesstechnik erläutert. Den Schwerpunkt bilden die Sensoren, aber auch wichtige Aspekte der Gerätetechnik und Anwendung sowie der Genauigkeit und Wirtschaftlichkeit werden intensiv betrachtet.

Ausblick

Vielfältige Anwendungen

Koordinatenmessgeräte mit optischen Sensoren, Röntgentomografie und Multisensorik finden in der industriellen Qualitätssicherung vielfältige Anwendungen, für die eine große Anzahl von Sensoren zur Verfügung steht. Durch anwendungsspezifische Sensorkombination im Koordinatenmessgerät können für die verschiedenen Aufgabenstellungen sowohl Genauigkeit als auch Messzeit optimiert werden. Der Einsatzbereich erstreckt sich von der submikrometergenauen Messung von Mikrostrukturen und -optiken mit dem Fasertaster 3D bis zur vollautomatischen Prüfung von kompletten Fahrzeugbaugruppen mit Röntgentomografie.

Einfache Bedienung …

Die Erstellung der Prüfprogramme wird z. B. durch Einbindung von Informationen zu den geometrischen Eigenschaften in die 3D-CADDaten erleichtert (PMI – Product and Manufacturing Information). In der Röntgentomografie können die Einstellparameter durch integrierte Simulationsverfahren automatisch optimiert werden.

… und fertigungsbegleitende Messungen

Neue Verfahren wie die Betriebsart »Rasterscanning HD« des Bildverarbeitungssensors ermöglichen eine stärkere Einbindung der Koordinatenmesstechnik in die Fertigung, da sich in wenigen zehn Sekunden viele hundert Maße messen lassen. Auf dem Gebiet der Röntgentomografie führen leistungsstarke Strahlungsquellen in Kombination mit schneller Auswertetechnik dazu, dass eine qualitative Prüfung sowie die komplette Messung aller geometrischen Eigenschaften komplexer Objekte oft im Fertigungstakt durchgeführt werden können. Der allgemeine Trend zur Vielpunktmessung sowie zur Optimierung von Messunsicherheit und Messgeschwindigkeit der Geräte und Sensoren wird sich fortsetzen.